Nicht noch mehr Megaställe!
Diese Kampagne ist beendet. Danke an alle Unterzeichner*innen! Auf dieser Seite können Sie alles zur Megaställe-Kampagne nachlesen. Campact setzt sich natürlich weiterhin für Landwirtschafts- und Tierschutz-Themen ein. Entdecken Sie unsere anderen Aktionen oder abonnieren Sie den Campact-Newsletter.
Landwirtschaft, Insektenschutz und Tierwohl in unserem Blog
Darum ging es in der Megastall-Kampagne
Die Gesetzesinitiative sieht Änderungen an einer Reihe von Gesetzen vor, für die das Umweltministerium zuständig ist. So soll das Baurecht soll dahingehend geändert werden, dass Megaställe in einem öffentlichen Verfahren genehmigt werden müssen – über so genannte Bebauungspläne. So könnten Kommunen beim Bau neuer Anlagen mitreden und diese sogar verhindern. Bisher können landwirtschaftliche Anlagen auch ohne Zustimmung der Kommunen gebaut werden. Weil aber auch große Agrarfabriken sich als “landwirtschaftliche Betriebe” durchschummeln können, ist die bisherige Regelung ein Freibrief für Megaställe.
Parallel dazu will Hendricks die Regelungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung verschärfen. Bisher konnten Großbetriebe mit einer Salami-Taktik eine solche Prüfung umgehen: Der geplante Megastall wurde in viele kleine Ställe aufgeteilt, für die keine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert ist. Hendricks will auch dieses Schlupfloch schließen. Ferner sollen neue Regelungen im Umweltschutzgesetz die Betreiber großer Ställe stärker in die Pflicht nehmen und Weideflächen über das Naturschutzgesetz geschützt werden. Dem Aus- und Neubau von Megaställen würden so schärfere Auflagen gemacht – und klare Grenzen gesetzt.
Ein Stall gilt als sehr groß ab 15.000 Legehennen, 30.000 Masthähnchen, 15.000 Puten, 1.500 Schweinen oder 600 Rindern. Festgelegt ist das im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung. In diesen Megaställen leben und sterben deutschlandweit Millionen sogenannter Nutztiere im Jahr. Der Gesetzesvorschlag von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht vor, dass künftig solche großen Tierhaltungsanlagen nur zugelassen werden, wenn die Kommune einem entsprechenden Bebauungsplan zustimmt. Normale Bauernhöfe wären von der Gesetzesänderung also nicht betroffen.
Die meisten Schweine, Rinder, Hühner und Puten werden auf viel zu engem Raum unter grausamen Haltungsbedingungen zusammengepfercht. Damit die Tiere sich nicht gegenseitig verletzen, werden ihnen Hörner, Ringelschwänze, Schnäbel und teilweise sogar ihre Zähne ohne Betäubung gekürzt oder abgetrennt. Auf ihre natürlichen Grundbedürfnisse wird dabei keine Rücksicht genommen: Die Bewegungsfreiheit der Tiere ist so stark eingeschränkt, dass sie sich oftmals nicht einmal um die eigene Achse drehen oder sich hinlegen können. In dieser Gefangenschaft werden die Tiere apathisch und aggressiv, verletzen sich gegenseitig und leiden unter Parasiten, Entzündungen und Krankheiten. Viele sterben noch vor der Schlachtung.
Massentierhaltung macht nicht nur Tiere krank, sondern auch Menschen. Nutztiere in Mastställen bekommen Antibiotika – erkrankt ein Tier im Stall, werden die Medikamente oft großflächig verabreicht. Nach einer Studie des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutzes NRW erhalten neun von zehn Puten während der Mast Antibiotika. Dieser massenhafte Einsatz fördert die Entstehung von Keimen, die gegen Antibiotika resistent sind. Daran sterben in Deutschland jährlich etwa 20.000 Menschen. Die Weltgesundheitsorganisation warnt deshalb vor einer “drohenden medizinischen Katastrophe”.Zusätzlich verschmutzt die intensive Tierhaltung unser Grundwasser mit Nitrat. Nitrat gilt als krebserregend. Regionen mit viel Tierhaltung und Ackerbau sind davon besonders betroffen.
Die industrielle Massentierhaltung schädigt auch die Umwelt: Der intensive Anbau von Futter verbraucht jährlich Millionen Liter Wasser. Durch tonnenweise Gülle-Überschuss aus den Tierfabriken werden die Felder überdüngt. Der überschüssige Stickstoff gefährdet Tier- und Pflanzenarten. Die biologische Vielfalt leidet. Die Mägen von Wiederkäuern erzeugen Methan. Das ist als Klimagas etwa 25 Mal klimaschädlicher als CO2.
Christian Schmidt hat bereits bekannt gegeben, dass er Hendricks’ Vorstoß ablehnt. Damit handelt er ganz im Interesse der Agrarlobby. Denn diese profitiert mit ihren immer neuen Megaställen von den Schlupflöchern des bestehenden Gesetzes. Echte Bauernverbände hingegen, wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), begrüßen Hendricks‘ Pläne. Denn gerade bäuerliche Betriebe leiden unter dem Trend zu immer neuen Agrarfabriken. Das betrifft besonders die Bäuerinnen und Bauern in Bayern – Schmidts Wahlheimat.
Das bestehende Baurecht bietet der Agrarlobby noch immer die Möglichkeit zu tricksen. Bisher gilt für landwirtschaftliche Betriebe eine Ausnahmeregelung: Sie dürfen große Stallanlagen auch ohne Zustimmung der Kommunen errichten, wenn sie ausreichend große Flächen vorweisen können – für das Futter der Tiere. Allerdings kontrolliert niemand, wie diese Flächen dann tatsächlich genutzt werden. Das ist ein Schlupfloch für die Agrarindustrie: Viele pachten nur für kurze Zeit die benötigten Flächen dazu, damit sie dem Genehmigungsverfahren entgehen. Hendricks will nun durchsetzen, dass alle Betriebe ab einer bestimmten Größe ein Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen.
Die Gesetzesänderung käme vor allem den echten Bauernhöfe zugute. Denn der Megastall-Trend ist gerade für Bauernhöfe ein großes Problem: Über 100.000 Betriebe mussten in den letzten 10 Jahre schließen. Denn Bauernhöfe können mit den Preisen der Agrarindustrie nicht mithalten und müssen schließen – dafür entstehen immer mehr Agrarriesen. Ein neues Baugesetz könnte die Entstehung neuer Megaställe verhindern und damit gleichzeitig die Existenz vieler Bauernhöfe sichern. Das wäre ein wichtiges Zeichen für die gefährdete Agrarwende.
Aber auch die Rechte betroffener Kommunen würden gestärkt. Bisher haben diese wenig Möglichkeiten, sich gegen Megaställe zu wehren. Volksbegehren oder Klagen sind oft schwer durchzusetzen oder teuer. Eine Gesetzesänderung würde den Bürgerinnen und Bürgern von vorneherein Mitspracherecht geben. In einer Demokratie sollte das eigentlich selbstverständlich sein.
In der „Initiative Tierwohl” haben sich Einzelhandelsriesen wie Aldi, Lidl und Netto mit der Fleischindustrie und der Landwirtschaft zusammengetan, um die Lebensbedingungen der Nutztiere in der industriellen Tierhaltung zu verbessern. Doch außer Imagepflege bringt die Initiative wenig. Die Kriterien sind zu lasch, und es hat sich seither für die Tiere kaum etwas getan. Die Initiative unterstützt weiterhin Massenproduktion und bietet dem Verbraucher keine Transparenz. Aus diesem Grund ist der Deutsche Tierschutzbund aus diesem vermeintlichen Tierwohl-Gremium auch wieder ausgestiegen.
Auch die ähnlich klingende Tierwohl-Initiative des Landwirtschaftsministeriums verspricht viel Tierschutz und hält dabei wenig: Statt konsequent mit gesetzlichen Regelungen gegen Massentierhaltung vorzugehen, setzt Landwirtschaftsminister Schmidt auf freiwillige Vereinbarungen und Forschungsprojekte und arbeitet dabei Hand in Hand mit der Agrarlobby. Die Folge: Das Tierleid in der Massentierhaltung und damit in den Megaställen geht weiter.