Windkraft retten

Der Plan von Wirtschaftsminister Altmaier ist vom Tisch: Es wird keinen bundesweit einheitlichen Mindestabstand für Windräder zu Wohnhäusern geben. Die Bundesländer dürfen selber darüber entscheiden. Über 150.000 Menschen haben den Campact-Appell gegen die pauschale Abstandsregel unterzeichnet. Vielen Dank an alle Unterstützer*innen. Alle Infos zu unseren laufenden Kampagnen findest Du hier.

Windkraft-Verbot stoppen /Campact e.V. [CC BY-NC-ND 3.0]

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Highlights der Windkraft-Kampagne

5-Minuten-Info

Das Klimapaket der Bundesregierung sieht beim Neubau von Windkraftanlagen einen pauschalen Abstand von 1.000 Metern zu bebauter Fläche vor. Damit soll die Akzeptanz von Windkraftanlagen erhöht werden. Die Abstandsregelung schränkt jedoch die möglichen Orte für neue Windräder drastisch ein. Das Umweltbundesamt (UBA) hatte schon im März vor der Abstandsregelung von 1.000 Metern zu Wohnbebauung gewarnt. Nach Auffassung des UBA würde ein Mindestabstand die zur Verfügung stehende Fläche um bis zu 50 Prozent reduzieren. Der Ökostrom-Anbieter Greenpeace Energy bezeichnet das Klimapaket wegen dieser Abstandsregelung sogar als „Windkraft-Verhinderungsprogramm“.

Der neue Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium verschärft die Abstandsregelung aus dem Klimapaket jetzt noch, indem schon mehr als fünf Häuser als Wohnbebauung anzusehen sind. Diese müssen außerdem noch nicht einmal gebaut sein – ausgewiesenes Bauland reicht schon aus. Damit geht noch mehr potentielle Fläche für Windkraftanlagen verloren.

Weil die neue Regel auch für das Repowering, also für den Austausch von alten durch neue Windräder gilt, könnte die installierte Leistung der Windkraftanlagen in Deutschland sogar schrumpfen.

Der Ausbau der Windenergie ist in Deutschland seit 2017 stark zurückgegangen. Seit Anfang 2019 ist es besonders dramatisch: Nur 147 neue Anlagen mit einer Leistung von 504 Megawatt sind installiert worden. Das entspricht lediglich 18 Prozent der Leistung, die im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre im gleichen Zeitraum hinzugekommen ist. Da im gleichen Zeitraum 68 größere Windräder abgerissen wurden, kamen netto sogar nur 79 Anlagen hinzu.

Die wesentliche Ursache für den Einbruch beim Ausbau der Windenergie in den letzten zwei Jahren ist der Umstieg von Einspeisevergütungen über das EEG auf ein Ausschreibungsmodell im Jahr 2017. Um Vielfalt zu schaffen, hatte die Bundesregierung sogenannten Bürgerenergiegesellschaften den Zugang bei der Ausschreibung erleichtert. Nur auf den ersten Blick klappte der Plan: 96 Prozent der Ausschreibungen gingen an solche Bürgerenergiegesellschaften. Hinter vielen dieser Gesellschaften stecken jedoch Windkraftunternehmen, die sich die erleichterten Zugänge zu Nutze machen wollten. Mehr Vielfalt gibt es also nicht. Dafür gerät jetzt die Umsetzung der geplanten Windparks ins Stocken. Denn um den Zugang zu erleichtern, mussten Bürgerenergiegesellschaften vorab keine emissionsrechtlichen Genehmigungen vorlegen. 20 bis 30 Prozent der geplanten Windparks werden daher vermutlich gar keine Genehmigungen bekommen.

Außerdem bekamen sie bis 2022 Zeit, um die Bauvorhaben umzusetzen – mehr als doppelt so viel wie andere Akteure. Weil der zeitliche Druck fehlt und Fördersätze zurückgehen, sind viele dieser Bauvorhaben noch nicht umgesetzt worden. Hinzu kommt, dass Genehmigungsverfahren bisher sehr lange dauern und durch örtliche Klagen immer wieder in die Länge gezogen werden.

Seit 2016 sind vermutlich über 35.000 Arbeitsplätze in der Windkraft-Branche verloren gegangen. Allein von 2016 bis Ende 2017 fielen 26.000 Stellen weg, im Jahr 2018 vermutlich weitere 8.000 bis 10.000. Und der Trend setzt sich fort: Anfang November hat der Windkraft-Hersteller Enercon verkündet, dass er 3.000 Arbeitnehmer*innen entlassen muss: je 1.500 in den ohnehin eher strukturschwachen Regionen Aurich und Magdeburg. Damit sind im Bereich Windenergie seit 2016 schon mehr Arbeitsplätze verloren gegangen, als es in der Braunkohle insgesamt überhaupt noch gibt.

Die Bundesregierung hat das Ziel, Deutschland bis 2050 CO₂-neutral zu machen. Dafür ist ein Ausbau der Erneuerbaren Energien unerlässlich. Um Schwankungen ausgleichen zu können, muss es einen Mix geben von Wasserkraft, Biomasse, Photovoltaik und Windenergie. Die weiteren Potenziale von Wasserkraft und Biomasse in Deutschland sind allerdings sehr beschränkt. Neben dem geplanten Ausbau der Photovoltaik muss also auch die Windkraft weiter ausgebaut werden.

Es ist richtig, dass in Deutschland jedes Jahr 10.000 bis 100.000 Vögel an Windkraftanlagen sterben. Das muss durch eine entsprechende Standortwahl so weit wie möglich minimiert werden. Im selben Zeitraum sterben allein 18 Millionen Vögel, weil sie vor Glasscheiben fliegen. Der Einfluss von Windkraftanlagen auf den gesamten Vogelbestand ist also alles in allem eher zu vernachlässigen.

An Windkraftanlagen entstehen Geräusche. Zum einen haben sie aerodynamische Ursachen, wenn die Luftmassen auf die Rotorblätter stoßen und sich einen Weg daran vorbei suchen, und zum anderen mechanische, etwa durch die Bewegung im Getriebe.

Um die Belastung für die Menschen möglichst gering zu halten, gibt es immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, sowohl für Neuanlagen als auch beim Repowering, wenn eine alte Anlage durch eine neue ersetzt wird. Eine pauschale Abstandsregelung von 1.000 Metern ist daher überflüssig und nimmt keine Rücksicht auf die individuellen Begebenheiten.

„Strikte Abstands-Regel für Windräder geplant“, Süddeutsche Online, 12. November 2019

„Ausbau der Windenergie sinkt um 80 Prozent“, Spiegel Online, 11. Oktober 2019

„Windindustrie verliert in einem Jahr Zehntausende Arbeitsplätze“, Welt, 11. August 2019

„Windkraft-Ausbau droht 2019 ein Einbruch“, Tagesspiegel Online, 1. Juli 2017

Klimakrise: Mehr im Campact-Blog

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