Corona-Nothilfen jetzt!

Die Corona-Krise traf die Ärmsten in der Gesellschaft besonders hart – die Bundesregierung wollte ihnen aber nur eine kleine Einmalzahlung zugestehen. Dabei reichte die Grundsicherung schon vor der Krise kaum zum Leben. Ein breites Bündnis forderte deshalb: Vergesst bei den Corona-Nothilfen nicht die ärmsten Menschen! Erfahre hier, wofür sich Campact mit der Kampagne eingesetzt hat.

Ein Bescheid vom Jobcenter, darauf liegt ein Zehn-Euro-Schein und einige Münzen sowie eine Maske.

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Protestaktion vor dem Reichstag für Corona-Nothilfen

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Berlin, 26. Februar 2021. Mit einer kreativen Protestaktion vor dem Reichstag hat ein Bündnis von fast 50 Organisationen, darunter Campact, gegen die unzureichende Nothilfe für die Ärmsten in der Corona-Pandemie demonstriert. Die Organisationen fordern eine zügige Erhöhung der Regelsätze auf mindestens 600 Euro sowie für die Dauer der Krise eine monatliche Zusatzzahlung von 100 Euro.

5-Minuten-Info

Das Bündnis fordert eine Anhebung der Regelsätze staatlicher Grundsicherung auf 600 Euro und eine monatliche Corona-Nothilfe in Höhe von 100 Euro. Beides soll die ärmsten Menschen der Gesellschaft davor schützen, während und nach der Pandemie noch weiter an den Rand gedrängt zu werden. Zu dieser Gruppe zählen Bezieher*innen von Hartz IV (Arbeitslosengeld II), Arbeitnehmer*innen mit so geringen Einkommen, dass sie aufgestockt werden müssen, sowie Menschen, die eine Altersgrundsicherung erhalten oder sich in einem laufenden Asylverfahren befinden. Nötig wären dazu Änderungen der geltenden Hartz-IV-Gesetze, des Asylbewerberleistungsgesetzes und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Das Ziel einer staatlichen Grundsicherung ist es, den Mindestbedarf eines Menschen zu decken und ein Leben in Würde zu garantieren. Dabei geht es nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich auch um ein Mindestmaß an Teilhabe. In der Realität leben Menschen, die in Deutschland von staatlicher Grundsicherung abhängig sind, unter der Armutsgrenze. Eine ausgewogene Ernährung, Fahrten zur Familie, einen Weihnachtsbaum, Bücher zum Deutschlernen oder einen Volkshochschulkurs – all das können sich Bezieher*innen von Grundsicherung oftmals nicht leisten. Zur „kulturellen Teilhabe“ sind für Kinder und Jugendliche 15 Euro im Monat vorgesehen. Davon lässt sich nicht einmal ein Kinobesuch mit Popcorn und Getränk zahlen, geschweige denn Beiträge und Ausstattung für Musik- oder Tanzschule. Die Regelsätze staatlicher Grundsicherung waren also bereits vor Corona viel zu niedrig.     

Der Grund für das allgemeine Auseinanderklaffen von Regelsätzen und tatsächlichem Bedarf ist das vielfach kritisierte Berechnungsverfahren der Regierung. In diesem Verfahren werden zur Ermittlung dessen, was ein Mensch in Deutschland zum Leben braucht, Stichproben von Einkommen und Verbrauch der einkommensschwächsten 15 Prozent herangezogen. Kritisiert wird dabei, dass auch Personen mit eingerechnet werden, die selbst Anspruch auf staatliche Grundsicherung bzw. Bezuschussung hätten, diese aber beispielsweise aufgrund bürokratischer Hürden nicht beantragen. Zudem nimmt die Bundesregierung viele Streichungen vor und berücksichtigt im Regelsatz nur einen Teil der so ermittelten Ausgaben armer Haushalte. Expert*innen kritisieren, dass diese Kürzungen willkürlich und methodisch unsauber sind, so dass die Regelsätze im Ergebnis viel zu niedrig ausfallen. 

Es gibt viele Gründe, warum Menschen auf staatliche Grundsicherung angewiesen sein können: zu niedriges Einkommen, Krankheit, Pflege und/oder Erziehung von Angehörigen, Ausbildung oder Qualifizierungsmaßnahmen, Überqualifizierung, Beschäftigungsverbote für Geflüchtete. All diese Faktoren beeinflussen die Möglichkeiten einer Person, am Arbeitsleben teilzunehmen, und können in unserer Gesellschaft zu Verarmung und Vereinsamung führen.

Eine wichtige Maßnahme wäre ein Kündigungsmoratorium für Mieter*innen, also ein befristeter Zahlungsaufschub. Damit lässt sich verhindern, dass Menschen aufgrund von temporären Einkommenseinbußen durch die Coronakrise in die Lage geraten, ihr zuhause verlassen zu müssen. Auch Rückzahlungsforderungen für Kredite sollten in dieser Ausnahmesituation ausgesetzt werden, damit Menschen nicht in Existenznot geraten. 

Würdige Lebensbedingungen für Geflüchtete und Obdachlose in Zeiten einer Pandemie – und auch darüber hinaus – erfordern die Auflösung von Sammelunterkünften und stattdessen eine dezentrale Unterbringung, z. B. in gerade leerstehenden Hotelzimmern oder unvermieteten Wohnungen.

Der Staat lässt sich die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie einiges kosten: Neun Milliarden Euro für die Lufthansa, eine dritte Finanzspritze für die TUI in Höhe von fast zwei Milliarden Euro und eine Milliarde Euro für Flughäfen zeigen, dass Gelder fließen, wenn der politische Wille da ist. Es ist also eher eine Frage der politischen Prioritätensetzung, ob auch Menschen in finanzieller Not staatliche Unterstützung erhalten.

In Zeiten von Corona ist Solidarität wichtiger denn je. Eine derzeit diskutierte Möglichkeit der Finanzierung ist beispielsweise eine europaweite Covid-Solidaritätsabgabe auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten Einkommen. 

Zusätzliche Gelder für Haushalte mit niedrigem Einkommen können sogar die Konjunktur stärken, da sie von den Empfänger*innen meist unmittelbar wieder ausgegeben werden müssen. Die Finanzkrise 2008 hat gezeigt, dass Staaten durch Verschuldung während der Krise in der Lage waren, Wirtschaftseinbrüche deutlich abzuschwächen. So konnten sie in den Folgejahren der Krise beachtliches Wachstum generieren und ihre Staatsverschuldung erneut senken.

Die Forderungen werden von einem breiten Bündnis aus 41 Gewerkschaften und Verbänden getragen: Ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, der AWO Bundesverband, der Sozialverband VdK, die Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung, Der Paritätische Wohlfahrtsverband Gesamtverband, der Sozialverband Deutschland, der Volkssolidarität Bundesverband, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband, das Deutsche Kinderhilfswerk, PRO ASYL, der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA), die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, der Deutsche Kulturrat, der Deutsche Mieterbund, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, die Tafel Deutschland, der Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen, die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, der Dachverband Gemeindepsychiatrie, der Bundesverband Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, die DEUTSCHE DIABETES FÖDERATION, Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe – DBfK Bundesverband, der Deutsche Wohlfahrtsverband für Gehör- und Sprachgeschädigte GSW, foodwatch, BAG Streetwork / Mobile Jugendarbeit, die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS e.V.), das PARITÄTische Bildungswerk Bundesverband, die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen, ADRA Deutschland, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, die NaturFreunde Deutschlands, das Advent Wohlfahrtswerk, der PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien, Sanktionsfrei, das Sozialwerk des dfb (Dachverband), der Verband Deutscher Schullandheime und das Zukunftsforum Familie.

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