Düngeverordnung

5-Minuten-Info

Wo liegt das Problem, wenn zuviel Nitrat im Grundwasser ist?

In Deutschland wird 70 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen. Dabei lässt sich Nitrat nur unter großem Aufwand und hohen Kosten aus dem Grundwasser filtern. Noch behelfen sich die Wasserwerke damit, stark nitrathaltiges Wasser mit weniger belastetem Wasser zu vermischen und so den Schnitt zu senken. Andere bohren immer tiefere Brunnen. Doch beides ist langfristig keine Lösung. Wenn die Politik nicht handelt, landet über kurz oder lang zu viel Nitrat im Trinkwasser.

Nitrat im Trinkwasser schädigt unsere Gesundheit. Bei Säuglingen wird Nitrat im Magen in giftiges Nitrit umgewandelt, das den Sauerstoffgehalt im Blut senkt und zu einer lebensgefährlichen Blausucht führen kann. Aber auch Erwachsene sind betroffen. Im Magen verbinden sich Nitrite mit Aminen zu Nitrosaminen. Diese können schon in winzigen Mengen Krebs erzeugen.

Was ist eigentlich Gülle?

Woher kommt das viele Nitrat im Grundwasser?

Landwirte bringen mineralischen Dünger und Wirtschaftsdünger (Gülle und Mist) auf ihre Felder aus, um die Ernte zu steigern. Doch seit einiger Zeit gilt die Devise „Je mehr, desto besser“ nicht mehr. Denn wenn zu viel Stickstoff im Boden landet, wird er als Nitrat in tiefere Bodenschichten ausgewaschen und landet irgendwann im Grundwasser. Nitrat im Grundwasser ist daher eine Folge der Gülleschwemme auf den Feldern.

Doch warum bringen die Landwirte dann nicht weniger Stickstoff auf die Felder? Der Grund ist einfach: Der Boom der industriellen Tierhaltung. Tierfabriken und Megaställe sind auf dem Vormarsch. Pro Jahr fristen in Deutschland 750 Millionen Tiere ihr Dasein in der Massentierhaltung. Tendenz steigend. Die Agrarindustrie will beispielsweise die Stallplätze für Masthühner in den nächsten Jahren um 60 Prozent erweitern. Ähnlich sieht es in der Schweinehaltung aus. Megaställe mit mehreren zehntausend Tieren sind keine Seltenheit mehr. Deren Exkremente wollen entsorgt werden. Die Agrarindustrie kippt die Gülle auf die Felder – und was die Pflanzen nicht aufnehmen können, geht größtenteils ins Grundwasser.

Die Energieerzeugung durch Biomasse verstärkt das Problem. Die Gärreste aus den Biogasanlagen müssen nach geltendem Düngerecht nicht vollständig angegeben werden. Die Folge: Die Überschüsse an Gülle werden teils als Biogas-Gärreste getarnt auf den Äckern verklappt. Die Anzahl der Anlagen hat sich in den vergangenen 10 Jahren vervierfacht. Auch dies trägt zu der Nitratschwemme im Boden bei.

Die Bundesregierung ist gerade dabei, die Düngeverordnung zu ändern. Wird das das Problem lösen?

Bislang scheut die Bundesregierung den Konflikt mit der Agrarindustrie. Erst als die EU-Kommission wiederholt mahnte und mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof drohte, kam Bewegung in die Sache. Lange versuchte die Regierung, mit der Kommission einen Weg auszuhandeln, wie die Dünge-Regeln möglichst wenig verschärft werden könnten, ohne eine Klage zu riskieren. Jetzt hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt einen Vorschlag für eine neue Düngeverordnung vorgelegt.

Und dieser Entwurf löst das Problem nicht:

  • Die vollständige Erfassung aller Nährstoffe, die in einen Betrieb hinein- und wieder herausfließen („Hoftorbilanz“), ist nicht umfassend festgeschrieben. Damit wird die Verordnung zu einem schwarzen Loch für die Gülle: Zu viele Schlupflöcher ermöglichen es, den Abfall einfach kleinzurechnen.
  • Die Obergrenze für den Stickstoff-Austrag müsste klar bei 170 Kilogramm pro Hektar und Jahr festgelegt werden. Doch die Verordnung sieht viele Schlupflöcher bei der Berechnung vor. Insgesamt dürfen Betriebe um 50 Kilogramm überdüngen, ohne dass dies als Verstoß gewertet würde.
  • Überhaupt fehlt es an ausreichend Kontrollen. Verstöße werden kaum sanktioniert. So gibt es wenig Anreiz, sich an die Grenzwerte zu halten und die Behörden können nicht tätig werden.

Christian Schmidts Entwurf für eine neue Düngeverordnung ist schlicht unzureichend. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert schärfere Regeln für die Düngung.

Was sollte die Bundesregierung tun?

Bei der letzten Reform der Düngeverordnung im Jahr 2006 wurden die Regeln für das Ausbringen von Gülle massiv abgeschwächt. Profitiert haben die großen Agrarkonzerne. Unter anderem wurde die so genannte „Hoftorbilanz“ abgeschafft. Außerdem werden Verstöße seitdem nicht mehr bestraft. Beides müsste zunächst rückgängig gemacht werden.

Bei der Hoftorbilanz geht es darum, dass alle Nährstoffzugänge und Abgänge eines Betriebes erfasst werden. So kann ein/e Landwirt/in selbst viel einfacher kontrollieren, wie es um die Stickstoffbilanz bestellt ist. Seit ihrer Abschaffung gilt die Feld-Stall-Bilanz. Dabei bleibt aber einiges außen vor, etwa der Stickstoff, der über die Luft entweicht. Daher muss in einem ersten Schritt die Hoftorbilanz wieder eingeführt werden.

Dann muss sichergestellt werden, dass die absolute Obergrenze von 170 Kilogramm Stickstoffdüngung, die pro Hektar und Jahr erlaubt sind, auch wirklich alle in der Hoftorbilanz erfassten Stickstoffquellen reguliert. Dazu gehören dann Gülle, Jauche, Mist, Biogassubstrat, Kompost, Lufteinträge und mineralischer Dünger. Außerdem muss die Aufbringung von Dünger im Winter für mindestens 4 Monate verboten sein. Zu dieser Zeit nimmt der Boden den Stickstoff viel schlechter auf.

Schließlich helfen all diese Regeln aber nicht, wenn ihre Einhaltung nicht kontrolliert werden. Verstöße müssen daher überprüft und als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden.

Über die Düngeverordnung hinaus braucht es weitere Maßnahmen: Es dürfen keine neuen Tiefabriken genehmigt werden und die Anzahl der Tiere, die ein Betrieb halten darf, muss an die  Fläche seines Grün- und Ackerlandes gekoppelt sein.

Warum wehrt sich die Agrarindustrie gegen ein schärferes Düngerecht?

Die Agrarindustrie klagt bereits jetzt über steigende Kosten. Sie behauptet: Wenn die zulässige Stickstoff-Menge pro Hektar begrenzt wird, müsste mehr Gülle in andere Regionen exportiert werden – was nebenbei den Verkehr weiter verstärkt. Oder die Bodenpreise steigen, weil jede Tierfabrik mehr Fläche braucht, um ihren Müll abzuladen. Damit zeigt das Thema Überdüngung: Die industrielle Tierproduktion, die billiges Fleisch auf Kosten von Tier und Umwelt produziert, ist nicht nachhaltig. Das Problem lässt sich nur lösen, wenn wir das Wachstum der Megaställe bremsen und umkehren.

Dafür bietet die derzeit verhandelte Düngeverordnung einen guten Hebel. Während die Politik die Agrarindustrie sonst einfach gewähren lässt, steht sie hier unter Druck, tatsächlich etwas zu ändern. Unsere Chance, um den Tierfabriken den Hahn abzudrehen.

Wie können wir die Politik zu strengeren Düngeregeln bewegen?

Die Gelegenheit ist günstig. Weil Deutschland die Überarbeitung des Düngerechts zu lange vor sich hergeschoben hat, hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Wenn die Regierung nicht bald einen Entwurf für eine neue Düngeverordnung vorlegt, der die Kommission zufriedenstellt, drohen erhebliche Strafen. In einem ähnlichen Fall musste Frankreich schon einmal 120.000 Euro Bußgeld pro Tag zahlen.

„Von unten“ wiederum drängeln die Länder. Gerade die Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung wünschen sich schärfere Regeln. Mit einem Bundesratsbeschluss haben sie die Regierung bereits im vergangenen Jahr zum Handeln aufgefordert. Und sie haben Verhandlungsmacht: Am Ende müssen sie der Düngeverordnung zustimmen.

Wenn es jetzt gelingt, ausreichend öffentlichen Druck auf die Regierung aufzubauen, steigt die Verhandlungsmacht der Länder weiter – so dass die Regierung schließlich Ernst machen muss und der Agrarindustrie den Güllehahn abdreht.