Spahns Maskenaffäre: Untersuchungsausschuss jetzt! Jens Spahn (CDU) hat mit Maskendeals wohl Milliarden an Steuergeld versenkt – auch durch direkte Aufträge an CDU-nahe Unternehmen. Fordere von Union und SPD: Volle Transparenz jetzt! Bereits 0 Unterzeichner*innen Appell unterzeichnen

5-Minuten-Info

Dem ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) werden verschiedene schwere Fehler während der Corona-Pandemie vorgeworfen. Er wird für die chaotische Beschaffung von Schutzmasken verantwortlich gemacht, durch die wohl Milliarden an Steuergeld verschwendet wurden. Spahn kaufte insgesamt 5,8 Milliarden Masken für rund 5,9 Milliarden Euro. Über 4 Milliarden davon blieben ungenutzt oder wurden vernichtet. Die Masken soll er zu teils stark überhöhten Preisen eingekauft haben. 

Obwohl sein eigenes Gesundheitsministerium und mehrere andere Ministerien ihn warnten, handelte er eigenmächtig und ohne die Beschaffungsbehörden des Bundes einzubeziehen. Spahn habe die Maskenbeschaffung an sich gerissen, heißt es im Untersuchungsbericht der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof. Den Eindruck, dass Spahn wenig kompetent vorging, untermauern flapsige Textnachrichten und E-Mails, mit denen der Gesundheitsminister Masken geordert hat.

Außerdem wird Spahn vorgeworfen, er habe Unternehmen aus dem Umfeld von CDU und CSU bevorzugt behandelt. Im Fokus stehen das Logistikunternehmen Fiege aus Spahns Heimatregion, die schweizerische Firma Emix und die Firma des ehemaligen CDU-Bundestagskandidaten Niels Korte, Areal Invest.

Die Beschaffung viel zu vieler Masken während der Corona-Pandemie könnte die Steuerzahler*innen mehrere Milliarden Euro kosten. Der Bundesrechnungshof macht Jens Spahn für einen bereits entstandenen Schaden von 517 Millionen Euro verantwortlich. Diese Kosten sind allein durch Verwaltung, Lagerung und Vernichtung der überschüssigen Masken bis 2024 entstanden. Und noch immer sind 1,26 Milliarden Masken eingelagert, von denen viele verbrannt werden müssen.

Als besonders problematisch gilt das sogenannte vergaberechtsfreie „Open-House-Verfahren“, das Spahn angewendet hat. Unternehmen, die in Folge dieses Verfahrens auf ihrer Ware sitzengeblieben sind, stellen dem Bund gegenüber nun Forderungen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro. Inklusive Zinsen und Verfahrenskosten könnte diese Summe sogar auf bis zu 3,5 Milliarden Euro ansteigen. Einige Schätzungen beziffern den Gesamtschaden sogar auf bis zu elf Milliarden Euro.  

Zum Vergleich: Der Schaden bei der gescheiterten PKW-Maut unter dem Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) betrug 243 Millionen Euro. Die Maskenaffäre könnte die Steuerzahler*innen somit weitaus mehr als das 14-fache kosten.

Spahn soll bei der Auftragsvergabe Unternehmen aus dem Umfeld von CDU und CSU bevorzugt haben. Drei Fälle stehen dabei im Fokus:

1. Der Fall Fiege

Spahns Ministerium bestand darauf, die Firma Fiege als Logistiker zu beauftragen – obwohl das eigentlich zuständige Innenministerium dagegen war und bereits mit anderen Logistik-Größen wie DHL und Schenker verhandelt hatte. Letztlich war das Unternehmen aus Spahns Heimatregion mit dem Auftrag völlig überfordert. Das Ergebnis war ein logistisches Desaster.

Auffallend sind die engen Verbindungen des Unternehmens zur CDU: Hugo Fiege, langjähriger Chef des Familienunternehmens, saß gemeinsam mit Friedrich Merz im Präsidium des CDU-Wirtschaftsrats, einem Lobbyverband, der die Wirtschaftsinteressen seiner Mitglieder vertritt. Sein Sohn Felix Fiege, der heute die Firma führt, ist Mitglied im Landesvorstand des CDU-Wirtschaftsrats in Nordrhein-Westfalen. 

2. Der Fall Emix

Die schweizerische Firma Emix verkaufte Spahns Gesundheitsministerium Masken zu Preisen von bis zu 7 Euro pro Stück. Der Durchschnittspreis lag bei 5,58 Euro. Obwohl 48 Prozent der Emix-Masken als mangelhaft eingestuft wurden, zahlte das Ministerium. Außerdem bekam Emix dreimal einen Aufschub bei der Lieferfrist, während andere Lieferanten strikt auf Liefertermine verpflichtet wurden.

Den Kontakt zu Spahn stellte Andrea Tandler her, die Tochter des ehemaligen CSU-Politikers Gerold Tandler. Ihre Freundin Monika Hohlmeier, CSU-Europaabgeordnete und Tochter von Bayerns ehemaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, war ihr dabei behilflich. Andrea Tandler erhielt für die Kontaktanbahnung eine Vermittlungsprovision von bis zu 51 Millionen. 

Die Staatsanwaltschaft Zürich ermittelt derzeit gegen Emix wegen Wucher bei Maskenlieferungen in der Schweiz.  

3. Der Fall Areal Invest

Die Firma Areal Invest gehört dem ehemaligen CDU-Bundestagskandidaten Niels Korte, der 2021 im Zuge der Maskenaffäre von seiner Kandidatur zurücktrat. Sein Unternehmen hat eine sogenannte „Abgeltungszahlung” in Höhe von 18 Millionen Euro von Spahns Gesundheitsministerium erhalten – ohne erkennbare Gegenleistung. Außerdem wurde dem Unternehmen eine außergewöhnlich lange Lieferfrist gewährt, bis März 2021.

Spahns Nachfolgerin und Parteikollegin Nina Warken (CDU) sollte eigentlich für Transparenz und Aufklärung sorgen. Stattdessen hat die Gesundheitsministerin den Untersuchungsbericht zunächst unter Verschluss gehalten. Schließlich hat sie ihn – stark geschwärzt – dem Haushaltsausschuss übergeben. Das begründete sie mit dem Schutz personenbezogener Daten und strategisch wichtiger Informationen, die der Bericht enthalte. 

Warken erweckt den Eindruck, als wolle sie ihren Parteifreund schützen. Denn die Schwärzungen betrafen ausgerechnet jene Passagen, die sich mit Spahns Rolle befassen.

Trotz immer neuer Hinweise auf problematische Beschaffungspraktiken stellen sich CDU und CSU hinter Jens Spahn. Die Union setzt stattdessen auf eine Enquete-Kommission, ein Gremium ohne echte Aufklärungskompetenz. Jens Spahn verteidigt sich mit dem Verweis auf die Krisensituation während der Pandemie und sieht sich im Recht.

Die geplante Enquete-Kommission zur Corona-Aufarbeitung ist ein wichtiger Schritt, um aus der Pandemie Lehren für die Zukunft zu ziehen. Doch sie ist völlig ungeeignet, um die Vorwürfe gegen Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn umfassend aufzuklären. Eine Enquete-Kommission soll vor allem Empfehlungen für kommende Krisen entwickeln. Sie kann Sachverständige anhören und Informationen sammeln, aber sie hat keine weitreichenden Untersuchungsbefugnisse. 

Bei Spahns Maskenaffäre geht es nicht nur um Lehren für die Zukunft, sondern um die Aufklärung von Fehlentscheidungen und Verstrickungen. Bei den konkreten Vorwürfen der Steuergeldverschwendung in Milliardenhöhe und fragwürdigen Geschäften in CDU-nahen Netzwerken braucht es schärfere Instrumente. Diese bietet nur ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Dort können Zeugen unter Eid vernommen und Akteneinsicht genommen werden. 

Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn müssen vollständig aufgeklärt werden. Ein Untersuchungsausschuss ist das einzige parlamentarische Instrument mit den notwendigen Befugnissen, um solche Missstände zu untersuchen. Anders als andere Kontrollmechanismen kann er Zeug*innen zwingen zu erscheinen, bei ungerechtfertigter Verweigerung sogar Ordnungsgelder verhängen oder Haft anordnen. Er hat das Recht, sich alle relevanten Akten vorlegen zu lassen und Zeug*innen unter Eid zu vernehmen. Damit kann er auch an Informationen gelangen, die bisher unter Verschluss gehalten wurden.

Untersuchungsausschüsse gelten als das schärfste Schwert der Opposition. In der Vergangenheit wurden damit Fälle wie der Abzug aus Afghanistan, der Wirecard-Prozess oder die geplatzte PKW-Maut aufgearbeitet. Immer wieder wurden Untersuchungsausschüsse auch mit Stimmen der Koalitionsfraktionen eingesetzt.

Für eine lückenlose Aufklärung der Maskenaffäre fordern Grüne und Linke im Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Auch nach der Befragung der Sonderermittlerin Sudhof im Haushaltsausschuss sehen sie viele offene Fragen. Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, muss ein Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestags diesen beantragen. Im aktuellen Bundestag müssten also 158 Abgeordnete den Antrag unterstützen. Die 149 Sitze von Grünen und Linken reichen dafür nicht aus. 

Da eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist, sind Grüne und Linke auf Unterstützer*innen aus den Koalitionsfraktionen angewiesen: Vorausgesetzt, der fraktionslose Abgeordnete Stefan Seidler (Südschleswigscher Wählerverband) unterstützt den Antrag, braucht es acht weitere Unterstützer*innen von SPD, CDU oder CSU. Inzwischen zeigt sich die SPD offen. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf erklärte in einem Interview, dass die SPD eine vollständige und schnelle Aufklärung der Vorgänge im Gesundheitsministerium während der Corona-Pandemie wolle und deshalb einen Untersuchungsausschuss nicht ausschließe. Die Union dagegen lehnt das bislang ab.

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