Glyphosat

Glyphosat ist ein tödliches Pflanzengift und eine Gefahr für Bienen, Artenvielfalt und unser Wasser. Ende 2023 sollte es endgültig von den Äckern verschwinden. Doch die EU-Kommission hat Glyphosat für weitere zehn Jahre zugelassen. Mit einem Campact-Appell haben sich über 340.000 Menschen für ein endgültiges Aus des Bienenkillers eingesetzt.

Ein Aktivist im Schutzanzug mit einer Glyphosat-Spritzflasche in der Hand. Darauf die Warnung: Krebsgefahr

Im November 2023 hat die EU-Kommission das gefährliche Totalherbizid Glyphosat für weitere zehn Jahre zugelassen. Für ein Verbot fand sich keine Mehrheit; Deutschland enthielt sich in der entscheidenden Abstimmung. Damit hat die Ampel ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag gebrochen – hier hatte sie den Ausstieg bis Ende 2023 vereinbart. Die Verlängerung ist ein Triumph für den Chemiekonzern Bayer und eine Katastrophe für die Artenvielfalt.

Angesichts des massiven Artenverlusts vor unserer Haustür und der nachweislich für unsere Gesundheit schädlichen Wirkung ist die EU-Entscheidung für Glyphosat ein heftiger Skandal.

Campact-Vorstand Christoph Bautz, 16. November 2023

Özdemir mit 340.000 Unterschriften überrascht

Gemeinsam mit unserem Partner foodwatch und über 340.000 Unterzeichner*innen unseres Appells hat Campact an die Bundesregierung appelliert, die Glyphosat-Pläne aus Brüssel zu stoppen. Unserem Protest konnte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) nicht entkommen. Zwei Tage vor der Abstimmung haben wir ihn auf dem Weg zu einer Veranstaltung am Gendarmenmarkt in Berlin überrascht und ihm die Unterschriften überreicht. Doch umstimmen ließ sich der Minister nicht.

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Im Dezember hat Özdemir eine Glyphosat-Eilverordnung auf den Weg gebracht, die für ein halbes Jahr gilt. Sie regelt übergangsweise, dass Glyphosat zwar gespritzt werden darf, aber bestehende Anwendungsbeschränkungen und entsprechende Sanktionen weiterhin gelten. Um den Einsatz von Glyphosat langfristig zu regeln, erarbeitet das Landwirtschaftsministerium nun eine Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung.

Glyphosat-Eilverordnung regelt Einsatz von Ackergift übergangsweise

Dazu sagt Özdemir: „Ich will unserer Koalitionsvereinbarung zu Glyphosat trotz EU-Genehmigung so weit wie möglich nachkommen.“ Wie genau aber ein nationales Verbot aussehen könnte, ist unklar – denn es wäre nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Deutschland könnte verklagt werden. Eine andere Möglichkeit wäre, die Auflagen in der Anwendungsverordnung so hoch zu setzen, dass der Anreiz Glyphosat zu spritzen verloren geht. Fest steht: Campact bleibt dran und schaut genau hin. Wir werden uns auch weiter gegen Ackergifte und für eine vielfältige Landwirtschaft einsetzen.

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5-Minuten-Info

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten genutzte Unkrautvernichtungsmittel. Es geht auf eine Entdeckung aus den 1950er Jahren zurück und ist ein chemischer Wirkstoff aus der Gruppe der Phosphonate. Das so genannte Totalherbizid Glyphosat tötet nahezu jede Pflanze, die gentechnisch nicht so verändert wurde, dass sie den Einsatz überlebt. Glyphosat wurde vom US-Konzern Monsanto patentiert und ist zum Beispiel im Pestizid Roundup enthalten. Im Juni 2018 hat der deutsche Bayer-Konzern Monsanto für 63 Milliarden Euro gekauft.

Glyphosat wird in der Landwirtschaft, im Gartenbau, in der Industrie und im Privatbereich eingesetzt. In der konventionellen Landwirtschaft soll Glyphosat den Acker auf die Aussaat vorbereiten. Passend zu seinem Pestizid vertreibt der Agro- und Chemiekonzern Bayer gentechnisch veränderte Pflanzen, die gegen das Mittel resistent sind.

Die Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation WHO hat Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ und damit in die zweitgefährlichste Kategorie eingestuft. Eine im Juli 2015 erschienene ausführliche Veröffentlichung der IARC untermauert diesen Befund mit zahlreichen wissenschaftlichen Studien.

Glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel vernichten nahezu alle wild wachsenden Pflanzen auf Äckern. Das entzieht Arten wie Insekten oder Feldvögeln, die an Ackerlebensräume gebunden sind, die Nahrungsgrundlage. Zunächst geht die Zahl der Insekten zurück; dadurch fehlt anderen Tieren wie etwa Vögeln die Nahrung, so dass auch ihre Population abnimmt. Der Einsatz von Glyphosat ist nachweislich ein Faktor für den Rückgang und das Aussterben von Arten.

Pestizide gelangen von Feldern in Teiche, Flüsse und Seen. Dort verändern sie die Sauerstoffbilanz der Gewässer. Das wiederum zerstört die Lebensräume von Mikroorganismen wie Würmern, Insekten und Spinnen – doch die sind wichtig für die Artenvielfalt. Hinzu kommt: Über Oberflächengewässer gelangt Glyphosat auch ins Grundwasser. Deshalb sind Pestizid-Rückstände auch in unserem Trinkwasser zu finden.

Eine Studie des Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, das dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist, zeigt: Mechanische Methoden wie Pflügen oder der Einsatz von anderen Geräten, um den Boden aufzulockern, helfen genauso wirksam bei der Unkrautbekämpfung wie Glyphosat. Ihr Vorteil: Sie schaden weder der Artenvielfalt noch unseren Gewässern. 

Die Autor*innen des Glyphosat-Reports des Pestizid-Aktions-Netzwerks PAN International betonen, dass Wildkräuter auf dem Acker die Produktivität nicht grundsätzlich verringern. Im Gegenteil: Sie können helfen, Schädlinge zu bekämpfen, die Qualität der Böden zu verbessern und die Ernteerträge zu erhöhen.

Die bestehende Zulassung der Europäischen Union für Glyphosat läuft Ende 2023 aus. Deshalb hat die EU-Kommission nun eine Verlängerung der Zulassung für zehn Jahre vorgeschlagen. Am 13. Oktober stimmen die Mitgliedstaaten über den Vorschlag ab. Sie können diesen mit einer qualifizierten Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) annehmen oder ablehnen. Erhält der Plan weder ausreichend Ja- noch Nein-Stimmen, liegt das weitere Vorgehen in der Hand der Kommission. Als bevölkerungsreichstes Mitglied hat das Votum Deutschlands bei dieser Abstimmung relativ viel Gewicht.

Die Bewertungen von Behörden wie der WHO oder der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sollen die verschiedenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Glyphosat zusammenfassen und den politisch Verantwortlichen helfen, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Die Behörden kommen dabei jedoch zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. 

So hat die Krebsforschungsagentur der WHO Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ und damit in die zweitgefährlichste Kategorie eingestuft. Die EFSA hingegen hat Glyphosat in einem Gutachten aus dem Juli 2023 als unbedenklich bewertet – räumt aber gleichzeitig Datenlücken ein und verweist auf Risiken, die noch nicht angemessen bewertet worden sind, etwa im Bereich der Ernährungssicherheit für Verbraucher*innen.

Verbraucher- und Umweltorganisationen halten die Einschätzung der EFSA für fatal. Trotzdem will die EU-Kommission Glyphosat auf der Grundlage der EFSA-Bewertung erneut zulassen. Dabei belegen zahlreiche unabhängige Studien, dass sowohl Glyphosat als auch andere Pestizide gravierende negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben. So belegt eine Studie des Bundesamts für Naturschutz, dass der Rückgang von Insekten auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen ist. 

Hinzu kommt ein weiterer Faktor, der die unabhängige Bewertung des Ackergifts erschwert: Medien deckten 2019 auf, dass der Konzern Monsanto (der mittlerweile Bayer gehört) heimlich Studien in Deutschland finanziert hat, die das Pestizid in einem positiven Licht darstellen.

Für die Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat ist die EU zuständig. Aufgabe der Mitgliedstaaten ist es, einzelne glyphosathaltige Produkte wie Roundup zu genehmigen. Nach jahrelangen politischen Auseinandersetzungen und zivilgesellschaftlichen Massenprotesten hat sich die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, alle Produkte mit dem Wirkstoff Glyphosat bis Ende 2023 vom deutschen Markt zu nehmen

Agrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) ist gegen eine erneute Zulassung in der EU. Die FDP sieht das anders: Carina Konrad etwa, stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, hat sich dafür ausgesprochen. Die Ampel ist sich also nicht einig. Unklar ist auch, ob das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, Glyphosat in Deutschland zu verbieten, weiter Bestand hat, wenn das Pestizid von der EU-Kommission erneut zugelassen wird.

„Wie gefährlich ist Glyphosat?“, Quarks, 07. Juni 2022

„Glyphosat: Schritt zurück beim Schutz der biologischen Vielfalt?“, Umweltbundesamt, abgerufen am 26. September 2023

„Gentechnisch veränderte Pflanzen & mehr Pestizide”, Heinrich-Böll Stiftung, abgerufen am 29. September 2023

„Some Organophosphate Insecticides and Herbicides”,  IARC Publications, abgerufen am 29. September 2023

„Protection of biodiversity of free living birds and mammals in respect of the effects of pesticides”, Umweltbundesamt, abgerufen am 26. September 2023

Pestizide gefährden Gewässer, BUND, abgerufen am 26.09.2023

Bericht zu Grundwasserbeschaffenheit, Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser, 4. April 2019

„Der Glyphosat-Streit geht jetzt richtig los“, Süddeutsche Zeitung, 20. September 2023

„Monsanto soll Studien zu Glyphosat gekauft haben“, Spiegel Online, 5. Dezember 2019

„Glyphosat: EFSA aktualisiert toxikologisches Profil”, EFSA, 12. November 2015

„Trotz hoher Risiken: EFSA gibt grünes Licht für Glyphosat“, Deutscher Naturschutzring, 11. Juli 2023

„Protection of biodiversity of free living birds and mammals in respect of the effects of pesticides”, Umweltbundesamt, abgerufen am 26.09.2023

„Fragen und Antworten zu Glyphosat”, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, abgerufen am 26.09.2023

Meilensteine der Glyphosat-Kampagne

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