27.000 für die enkeltaugliche Landwirtschaft und gutes Essen

Berlin, 18.01.20. Bauernhöfe unterstützen, Insektensterben stoppen und konsequenten Klimaschutz – das fordern 27.000 Menschen bei der „Wir haben es satt!“-Demonstration zum Auftakt der „Grünen Woche“ in Berlin. „Wir haben die Alibi-Politik des Agrarministeriums gehörig satt!“, sagt Bündnis-Sprecherin Saskia Richartz. Die Bundesregierung trägt die Verantwortung für das Höfesterben und den Frust auf dem Land. Seit 2005, als Angela Merkel Kanzlerin wurde, mussten 130.000 Höfe schließen – im Schnitt gab ein Familienbetrieb pro Stunde auf.

Die Klimakrise, zu viel Nitrat im Grundwasser und das dramatische Artensterben zeigen, dass es nicht weitergeht. Christoph Bautz, Campact-Vorstand: „Mit den 60 Milliarden an EU-Agrarsubventionen im Jahr müssen endlich die Landwirte honoriert werden, die Umwelt und Klima schonen, ihre Tiere anständig halten, vernünftige Löhne zahlen. Lasst uns Megaställe und Gülle-Seen, Pestizid-Duschen und Monokulturen stilllegen – mit dem Geldhahn.“

Elisabeth Fresen, 29-jährige Bäuerin mit einem 160-Hektar-Betrieb und 100 Mutterkühen aus Verden/Aller, sagt: „Wir Bäuerinnen und Bauern jammern nicht, wir packen an. Viele Betriebe sind der Politik in Sachen Tier- und Klimaschutz schon große Schritte voraus. Wenn Landwirtschaft und Gesellschaft jetzt an einem Strang ziehen, können wir der bauern- und umweltfeindlichen Politik ein Ende machen. Mit einer enkeltauglichen Agrarpolitik und fairen Preisen sind Tierwohl, Insektenschutz und gesundes Essen für alle machbar.“

Weltmarktpreise für Lebensmittel sind eine Sackgasse

Christoh Bautz von Campact spannt außerdem den Bogen zum umstrittenen Mercosur-Abkommen zwischen der EU und Staaten Lateinamerikas. Die Kritik daran teilen auch die Bäuerinnen und Bauern, die gestern bundesweit demonstrierten. Bautz: „Wir brauchen nicht noch mehr Weltmarkt. Die Zukunft bäuerlichen Erzeugung liegt in den Regionen, in lokaler Wertschöpfung. Wenn jetzt mit dem Mercosur-Abkommen Hormonfleisch aus Lateinamerika die Märkte überschwemmt, treibt das die Landwirte endgültig in den Ruin. Wie einst TTIP und CETA trifft jetzt auch Mercosur auf unser aller Widerstand!“

Zum Handelsabkommen hat Campact Online-Kampagnen gestartet. Die Bürgerbewegung sieht vor allem das Risiko, dass der Import von billigem Rindfleisch nach Europa nicht nur die Weidehaltung hier gefährdet, sondern auch die Brandrodungen am Amazonas anheizt. Gemeinsam mit fast 380.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern fordern sie Nachverhandlungen, damit das Abkommen unter anderem um einklagbaren Schutzklauseln für den Regenwald ergänzt wird.

Zehn Jahre „Wir haben es satt!“

Bei der „Wir haben es satt!“-Großdemonstration gehen zum mittlerweile zehnten Mal Zehntausende gegen die Agrarindustrie und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft auf die Straße. Konventionelle und Öko-Bäuer*innen demonstrieren im Schulterschluss mit der Gesellschaft gegen die fatalen Auswirkungen der intensiven industriellen Landwirtschaft. Gemeinsam zeigt das Bündnis zugleich Wege für eine bäuerliche Landwirtschaft auf, die auf breite Zustimmung in der Bevölkerung trifft und den Bauernhöfen wirtschaftliche Perspektiven bietet.

Weitere Informationen: www.wir-haben-es-satt.de
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Rede Christoph Bautz, Campact, 18. Januar 2020 WHES

„Hallo, was ist das für ein tolles Bild, die Bäuerinnen und Bauern mit ihren Traktoren in diesem Meer von Fahnen und Transparenten. Viele von ihnen sind zum Xten Mal hier dabei, sind bei diesem winterlichen Wetter hunderte Kilometer weit gefahren. Wir sind Euch so dankbar, dass Ihr diese Strapazen auf Euch nehmt. Wir sind stolz auf Euch, Ihr seid klasse. Das ist Euer Applaus!

Was uns hier alle eint? Wir wollen eine ganz andere Agrarpolitik. Für eine Landwirtschaft, die wir schmecken können, wenn wir in einen Apfel von Obstwiesen der Rhön beißen, wenn wir Kuh-Milch aus Brodowin vor den Toren der Stadt trinken, wenn wir den Gaumen mit einem Schnitzel aus Seitan oder vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein erfreuen. Für eine Kulturlandschaft, die das Herz höher schlagen lässt. Deren Vielfalt an Schmetterlingen und Vögeln, an Blumen und Heuschrecken man riechen, hören und genießen kann.

Solch eine Landwirtschaft gibt es nicht mit Agrarbaronen, die nur Profite aus dem Boden ziehen. Die gibt es nur mit Euch da drüben auf den Traktoren: mutigen und kämpferischen Bäuerinnen und Bauern, die mit Leidenschaft und Passion ihrem Job nachgehen und mit uns gemeinsam sagen: Die Zukunft der Landwirtschaft ist bäuerlich! Mit der Agrarindustrie ist Schluss!

Viele von Euch fragen sich vielleicht: Heute sind Bäuerinnen und Bauern auf den Straßen – und gestern auch. Demonstrieren wir hier gegeneinander? Von wegen! Wenn die Landwirte von “Land schafft Verbindung” sagen, dass ihnen das Wasser bis zum Hals steht, dann haben sie einfach recht. Allein in den letzten 10 Jahren haben die Hälfte der Milchviehbetriebe und zwei Drittel der Schweine haltenden Betriebe dicht gemacht. Die Höfe sterben weg. Agrarbarone und Bodenspekulanten übernehmen. Dagegen braucht es einen Aufstand. Und wir alle – die gestern und wir heute – sind dieser Aufstand!
Nur müssen wir auch klar Ross und Reiter benennen und sagen, wer uns diesen ganzen Mist eingebrockt hat:

Die Aigners, Schmidts und Klöckners! Jene Agrarminister*innen, die behaupten, Landwirte hätten nur eine Zukunft auf dem Weltmarkt, nach dem Prinzip “Wachse oder weiche”. Die BASFs, Bayer-Monsantos und Syngentas! Sie pressen immer neue Pestizid-Cocktails, synthetische Düngemittel und patentiertes Saatgut in den Markt. Und die Funktionäre des Bauernverbands! Jener Club, der sofort umbenannt gehört: in Deutscher Agrarindustrieverband.

Lasst uns gemeinsam gegen deren Irrsinn streiten und sagen: “Land schafft Verbindung” – Verbindung gegen die Agrarindustrie. Die haben wir gemeinsam satt! Einig können wir uns auch hier sein: Gutes Essen produzieren, die Artenvielfalt erhalten und Böden zu CO2-Senken machen – all das darf es nicht zum Nulltarif geben.

Seit drei Jahren haben wir auf unserem Hof eine Herde Schafe, die Streuobstwiesen erhalten – alte Landrasse, Rauhwolliges Pommersches Landschaf. Und seit dem ich nachts um 3 nach entlaufenen Schafen gesucht habe, wir rund um die Uhr Flaschenlämmer gefüttert haben, bei Regen ausgemistet, habe ich etwas mehr Ahnung bekommen: Was Landwirtschaft für ein Knochenjob ist. Und wieviel Wissen es bedarf, um das gut zu machen. Das verdient ganz viel Respekt und ist sein Geld wert, das ist unser aller Geld wert.

Was das konkret heißt? Das hier muss sich ändern:
1) Mit den 60 Milliarden an EU-Agrarsubventionen im Jahr müssen endlich die Landwirte honoriert werden, die Umwelt und Klima schonen, ihre Tiere anständig halten, vernünftige Löhne zahlen. Lasst uns Megaställe und Gülle-Seen, Pestizid-Duschen und Monokulturen stilllegen – mit dem Geldhahn!

2) Wir brauchen faire Preise. Die EU-Marktordnung muss geändert werden: Um Überproduktion schnell reduzieren zu können, die den Preis drückt. Und es braucht ein Werbeverbot für Dumpingpreise. Lasst uns gemeinsam die Marktmacht der Discounter brechen!

3) Wir brauchen nicht noch mehr Weltmarkt. Die Zukunft bäuerlichen Erzeugung liegt in den Regionen, in lokaler Wertschöpfung. Wenn jetzt mit dem Mercosur-Abkommen Hormonfleisch aus Lateinamerika die Märkte überschwemmt, treibt das die Landwirte endgültig in den Ruin. Wie einst TTIP und CETA trifft jetzt auch Mercosur auf unser aller Widerstand!

Entscheiden tun dies alles Julia Klöckner und die anderen Agrarminister der EU, die alle heute im Außenministerium, drüben am Werderschen Markt sind. Deswegen sind wir heute hier in Berlin goldrichtig, deswegen müssen wir uns gleich dort drüben richtig laut bemerkbar machen. Die Traktoren fahren jetzt schon mal da hin. Gleich kommen wir alle hinterher. Kann ich schon mal hören, ob Ihr richtig laut seid? Für eine bäuerliche, eine ökologischere Landwirtschaft, für die Agrarwende!“

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